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Mit zweierlei Maß

08.04.2024

Stellungnahme der Landesgleichstellungsbeauftragten Gabi Ohler
zur zweiten Verhandlung vor dem Arbeitsgericht:
Mary-Ellen Witzmann gegen die Stadt Erfurt

Die Eine deckt Fälle sexueller Belästigung am Theater auf – und wird bei sofortiger Einstellung ihrer Bezüge fristlos gekündigt, dem Anderen wird vorgeworfen, Fälle sexueller Belästigung über Jahre ignoriert zu haben, woraufhin er beurlaubt wird und weiterhin seine vollen, sehr hohen Bezüge erhält. Besonders klug oder moralisch gerechtfertigt erscheint die Kündigung der (jetzt ehemaligen) Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann besonders im Vergleich zum Umgang mit Herrn Montavon nicht.

Das Arbeitsgericht wird die Fragen zu klären haben, ob sich die (jetzt ehemalige) Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann mit den Vorwürfen an die Presse wenden durfte, ob sie Dienstinterna verraten oder gesetzwidrig gehandelt hat und ob all das eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Oder ob es nicht viel mehr angemessen, wenn nicht gar geboten gewesen wäre, sie bei Weitergewährung ihres Lohnes so lange zu beurlauben, bis die Vorwürfe geklärt sind und dann über Art und Weise der Weiterbeschäftigung zu entscheiden.

Vorwürfe sexueller Belästigung am Arbeitsplatz dürfen nicht ignoriert, sondern müssen seitens der Dienstvorgesetzten wahrgenommen, aufgeklärt und bei Bedarf mit entsprechenden Sanktionen belegt werden. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben Beschäftigte das Recht, sich nach § 13 AGG mit Beschwerden direkt an die Dienststellenleitung zu wenden – diese muss, spätestens auf Antrag der Personalvertretung oder der Gleichstellungsbeauftragten, eine Beschwerdestelle einrichten, die sich der Fälle sexueller Belästigung, Übergriffe und Gewalt annimmt und der Dienststellenleitung zuarbeitet.

Für den Umgang mit Vorwürfen sexueller Belästigung gibt es seitens der Bundes-Antidiskriminierungsstelle Leitlinien, um das Verfahren zu regeln, den Betroffenen Gehör zu verschaffen und die Sachlage aufzuklären. Neben dem, was gesetzlich im Umgang mit den Vorwürfen vorgesehen ist, gibt es das, was moralisch geboten ist. Und dieses verpflichtet uns alle bei sexueller Belästigung nicht wegzuschauen, sondern uns zuständig zu fühlen und zu handeln. Aus diesem Blickwinkel heraus kann ich das Handeln von Frau Witzmann nachvollziehen.